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Sie haben mal irgendwann irgendwas gehört? Sie wissen von einer Geschichte, die nun wirklich keine Sau interessiert? Dann werden Sie doch Zeitzeuge! Zeitzeugen berichten gerne in:

ALSO, EINES TAGES ....

 

Heute erzählt uns Norbert Nachtweih aus Nottuln die Geschichte seiner kulturellen Erweckung, damals, am 22.02.1967 ...


... ich wurde in eine Zeit hineingeboren, die Menschen unter anderem mit Filmen wie “die Nacht der lebenden Leichen“ zu beglücken wusste. Als ich sechs war, sah ich zum ersten mal ganz hinten im Werberaum des Bahnhofskinos einen Aushang für dieses düstere Meisterwerk des cinema du krawall.

Der Film schien dermassen jugendgefährdend zu sein, dass nicht ein einziges Standbild in den Schaukästen aushing, während doch selbst von den schrillsten Sexreissern, die erst Samstagnacht ab zehn gezeigt werden durften, dezente Rücken- und Seitenakte auf Hochglanzfotos zu bewundern waren. Wie diese lebenden Leichen wohl aussehen mochten? Ich versuchte natürlich, mir diese einzigartigen Wesen in meiner Fantasie auszumalen, landete aber stets bei ruckartig sich bewegenden Skeletten, wie von Rex Harryhausen für ein Sandalenepos zusammengetrickst. Sonderlich abschreckend oder furchterregend wirkte das allerdings nicht.

Eines Tages sah ich dann ein Bild in einer Zeitschrift, das alle Voraussetzungen erfüllte: so hatte eine lebende Leiche einfach auszusehen.

Wer ist denn das?“, fragte ich meinen Onkel Herbert Wehner, Grosswesir einer grossen deutschen Grosspartei.

Das“, bekam ich zur Antwort, “ist der grosse Dichter Thomas Mann.“

Von da an blätterte ich in allen Zeitungen, die ich vor die Nase bekam.

Der Junge ist aber interessiert an der Welt“, hiess es dann immer, “und ganz besonders an Politik und Kultur. Dabei kann der doch noch gar nicht richtig lesen!“

Was ich da suchte in den Nachrichtenblättern dieser Welt, sagte ich natürlich niemandem.

Hätte ja wohl auch kaum einer verstanden. Bilder von lebenden Leichen? Auf den Kulturseiten?

Ich jedoch machte faszinierende Entdeckungen, den grossen Regisseur Hitchcock zum Beispiel, den grossen Politiker Kurt Schumacher selbstverständlich auch, aber auch den weltberühmten Schauspieler Fred Astaire. Konrad Adenauer dagegen, der mir bei erster Ansicht noch wie eine Offenbarung des Himmels erschienen war, war sehr bald wieder aus dem Rennen. Der war einfach zu echt, zu eindimensional, zu platt. Und für eine lebende Leiche einfach zu alt. Für eine tote hätt’s ja vielleicht noch gerade so gereicht, aber doch nie im Leben für eine lebende! Weibliche lebende Leichen waren interessanterweise die absolute Ausnahme. Vielleicht durfte man die ja nicht abbilden? Tja ...

Nun, die Rätsel der lebenden Leichen lösten sich im Laufe der Jahre selbstverständlich in Nichts auf  -  auch wenn ich dem Kulturellen seit jener Zeit immer treu geblieben bin: tatsächlich bin ich heute ein geachteter Geschäftsmann und verdiene mich dumm und dämlich mit der Vermarktung von Künstlern wie Florian Silbereisen. Aber selbst heute ertappe ich mich manchmal noch dabei, wie ich führende Köpfe unseres Kulturkreises einordne, ablege und mit dem Etikett behefte: originär lebende Leiche!

 

 

eine Tasche zurück ...