Ein Tag im Leben des Bundespräsidenten
(fortsetzung)
sat Ber. Der Bundespräsident sass auf einer Bank und dachte launig: “Was ist schon das Sitzen auf einer Bank gegen das Besitzen einer Bank!“ als er zwei gutgekleidete Gestalten bemerkte, tadellos gestylt, frisiert und je mit einem kleinen Täschchen behangen, die von einem Haus zum anderen zogen, klingelten, ihr Verslein aufsagten und alsbald wieder weitergeschickt wurden. Unschwer zu erraten, wer das war! Früher standen sie noch stumm in den Fussgängerzonen, das Zentralorgan vor die Brust gepresst, den Blick im Irgendwo versenkt ... tatsächlich konnte der Bundespräsident sich überhaupt nicht mehr erinnern, wann er zum letzten mal diesen Sendboten des Fundamentalismus in den Ballungsräumen des Bundestages begegnet war ... diese Art der Mitgliederwerbung war wohl gestrichen, das moderne Marketingdenken erreichte halt auch die Frömmsten der Frommen ... amen und sei’s drum!
Spontan entschloss er sich, ihnen einen kleinen Gedankenstreich zu spielen:
Jesus was back!
Mildtätig und wundersprühend durchwanderte er die Stadt, hielt Reden von magischer Eindringlichkeit, heilte die Krankenversicherten und speiste die Armen in den Aldi-Filialen. So traf er eines Tages wie von selbst auf seine Jünger, die in seinem Namen ja ebenfalls unterwegs waren, allerdings weit weniger Zuspruch für ihr Tun erhielten und grad eben wieder rausgeschmissen worden waren.
Jesus sass auf einer Bank und heilte soeben einen Blinden von der Qual des Sehens.
“Wahrlich, mein Freund, du wirst nur noch erblicken, was dir gegeben ist zu verstehen! Nun gehe hin und wandle nicht mehr, jedenfalls nicht in diesen grässlichen Levis-low-cut-Jeans!“
Die beiden Zeugen solch heiligen Treibens tuschelten skeptisch miteinander: “Kann er das denn wirklich sein? Eigentlich sollte er doch vom Himmel gestürmt kommen, mitsamt dem neuen Jerusalem ...“
“Oh, ihr Kleingläubigen“, sprach Jesus,“wächst mir ein Kornfeld auf der Hand?“ und siehe da, es wuchs.
“Fällt mir eine Dorne aus der Krone?“ und siehe da, sie fiel.
“Und wandle ich nicht über diesen See?“ und siehe da, er wandelte.
Es begab sich aber zu genau dieser Zeit, dass ein wirklich sehr untalentierter Wasserskifahrer seine erste Turnstunde erhielt: und mähte er nicht gleichsam en passant den Wasserwandler dahin wie die Sense das Korn?
Der Notarzt war verteufelt schnell zur Stelle: “Alles halb so schlimm, die Blutung ist gestoppt, doch der Blutverlust ist sehr hoch. Sind sie mit einer Bluttransfusion einverstanden?“
“Na klar“, sagte Jesus und wirkte heiliger denn je.
Seine Jünger erstarrten zu Salzsäulen.
“Meister, das ist aber gegen die Regel!“
Jesus jedoch wies souverän darauf hin, dass er das sicherlich besser beurteilen könne.
“Aber es ist gegen das Gebot des Herrn!“, beharrten streng seine Anhänger und der Disput fand schliesslich, nach mancherlei hin und her, sein logisches Ende in dem Ausruf: “Da du nicht Jesus bist, musst du ja wohl Satan sein!“
Jesus nun heilte den einen sofort von seinem stechenden Magengeschwür, dem anderen liess er die Sehkraft anschwellen bis 1,0 dioptrien und als das alles nichts fruchten wollte, erhöhte er sogar beider Intelligenzquotient auf sagenhafte 156 Punkte.
Stumm sahen sie ihn an und sanken sodann auf ihre Knie, göttlichen Beistand zu erflehen in der Stunde ihrer Versuchung.
Jesus fuhr jetzt ein Wunder nach dem anderen auf, verwandelte Wasser in Wein, Wein in Altbier, einen Sanitäter in einen Zollbeamten der gehobenen Laufbahn, machte praktisch alles, was man als göttliches Wesen so drauf hat... und mit welchem Ergebnis? Mit dem Ergebnis, dass dieser charismatische Schmerzensmann plötzlich Woody Allen sehr viel ähnlicher zu sein schien als einem Heiligen, einem Heiland gar und überhaupt ...
Der Bundespräsident seufzte schmerzlich und aus tiefster Seele begeistert: wie blasphemisch, wie Minderheiten verachtend, aber vielleicht ging’s ja so?
Der Papst!
Was für einen göttlichen Streich man ihm doch spielen könnte, indem man ihn sterben liesse und in dem Moment des Hinübergleitens kommen alle Agnostiker und Atheisten aus ihren Löchern gestürzt und rufen: “Überraschung!“ denn da war gar nichts mehr zum Hinübergleiten, es war einfach aus und vorbei und der Papst sah entsetzt zum Jenseits hinüber, das gar nicht existierte: so nah und doch so fern und aus die Maus!
Tja, ging aber leider auch nicht!
Was für absurde Tagträume. Einmal kräftig das Hirrrrrn geschüttelt: war ja auch zu dämlich.
Mittlerweile hatten die zwei die Strasse überquert und näherten sich zielstrebig dem Bundespräsidenten.
“Oho“, dachte der.
Das konnte ja doch noch interessant werden.
Der Bundespräsident sah erwartungslos hart neben die Wanderer zwischen den Welten, so, als würde ihn das alles gar nicht interessieren. Tat’s ja auch nicht.
Daher konnte es ihm nicht entgehen, dass sie kurz vor seiner Bank den Schritt verlangsamten, zu ihm hinsahen ...
“Ah....“ ........ und weitergingen.
Verblüfft starrte der Bundespräsident ihnen nach.
Dann ging er beleidigt woanders hin.