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Sie haben mal irgendwann irgendwas gehört? Sie wissen von einer Geschichte, die nun wirklich keine Sau interessiert? Dann werden Sie doch Zeitzeuge! Zeitzeugen berichten gerne in:

ALSO, EINES TAGES ....

 

Heute erzählt uns Ngomo aus Afrika die Geschichte seiner Entdeckung, damals, am 22.02.1967 ...


 

... ein wahrhaft Erforschter!

 

Expedition zum ärmsten Menschen der Welt.

 

 

Lord Beaverbrook zurrte den Kunststoffgürtel zweimal um den Überseekoffer und stellte sich, das linke Bein dynamisch ins Schweinsleder gestemmt, beide Arme riemenzerrend jetzt nach rechts geschwungen, ein klein wenig länger in Positur als unbedingt nötig gewesen wäre.

Und ohne Zweifel wär’s auch ein Cäsarenanblick, ja geradezu das ’Iwo Jima’ des philantropischen Privatiers geworden, hätte der Lord nicht 125 Kilo gewogen bei einer Körpergrösse von 5 Fuss 30 – 'plumpudding al dente', wie sein Garderobenspiegel nicht müde wurde zu vermelden.

 “Der Pauperismus,“ stiess der Lord zwischen leicht verknirschten Zähnen hervor, “der Pauperismus ist eine Wissenschaft, die es seit hundert Jahren nicht mehr gibt!“ Seine Mitstreiter, Baron Boeske von Zackenstramm und Erzbischof Luciano di Monte-Boff, wussten das nur zu gut. Der Baron hauchte angelegentlich auf sein Monokel, der Kirchenfürst rieb wie abwesend an seinem Nubuk-Kreuz. Schliesslich gehörten sie ja ebenfalls dem Präsidial-Vorstand der Paneuropäisch-Pauperistischen Vereinigung an. Und sie hatten ihre Koffer ausserdem wesentlich schneller gepackt, verzurrt und dem Zahlmeister in die schwielige Seemannspranke gedrückt als ihr Special-Chairman.

 

 

Auf hoher See trafen alle drei dann wieder zusammen und liessen sich wie nasse Säcke in ihre ebony-and-ivory deck-chairs fallen, ziemlich genau zwischen shuffle-board-Spielern und swimming-pool-Bespringern. Lord Beaverbrook trug eine Digital-Sonnenbrille und schwabbelte euphorisiert auf seine Kumpane ein: “Ich bin mir sicher, wir werden Geschichte schreiben, meine Herren. Ganz sicher!“

 

 

Im afrikanischen Zentralhafen angekommen, mieteten sich die drei eine verschworene cruiser-crew und machten sich auf ins Landesinnere.

                       

 

Schon nach wenigen Metern brach die Nacht über sie herein, denn in Äquator-Nähe wechseln die Hell-Dunkelzeiten so abrupt wie sonst nur hinter der Kühlschranktür.

 

 

Am Lagerfeuer kam zum ersten mal so etwas wie Begeisterung auf. Die lodernden Flammen erweckten fast erloschene Erinnerungen in den drei Reisenden, der Lord dachte an seine ersten selbstgerösteten Fuchsschenkel, der Baron an die Sensation der ersten selbstentflammten Havanna, der Bischof aber dachte an ein besonders herzerwärmendes Autodafé, das sich irgendwie in seine Gene eingebrannt haben musste.

“Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen!“, war das der Kirchenmann?

Mittlerweise war das Feuer runtergebrannt und man konnte beim besten Willen den einen nicht mehr vom andern unterscheiden.

“Armut schändet nicht!“, hatte das jetzt der Baron gesagt?

“Aaaach, ich liebe es, hier nackt mit den Fäusten ins ausgetrocknete Schlammloch zu trommeln ...“

“Arm ist doch nur der, der nichts mehr hat, was andere noch gebrauchen könnten...“

“Jaaa, aber er ist frei, frei auf eine für uns nicht nachzuvollziehende art...“

“Er mag ja frei sein, aber er ist in allererster Hinsicht mal arm...“

Sinnlos, die Gesprächsfetzen zuordnen zu wollen.

 

Am nächsten Morgen zog die Karawane weiter ins Land hinein.

Der Bischof blieb plötzlich wie angenagelt etwas zurück. Dann kam er wieder vorgeschossen.

“Hört doch nur: die latest news auf Radio Vatikan!“

“...............(quietsch)....(rausch).....hat soeben, wie el dschasira meldet, eine Expedition um den dänischen Philantropen Passternoch den ärmsten Menschen der Welt entdeckt. Es handelt sich hierbei um den Ex-Milliardär Peperdonk van Houteren, der durch gewagte Warentermingeschäfte nicht nur sein gesamtes Vermögen verloren, sondern auch noch Schulden in Gesamthöhe des chilenischen Bruttosozialproduktes angehäuft hat. Augenzeugenberichten zufolge soll van Houteren seinen Entdecker nur stumm angesehen haben, so als wollte er sagen – oder als wollte er vielmehr nicht sagen – ja! Ich bin’s! Ich bin die ärmste Sau allhier, denn ich bin tausendmal ärmer als ihr!

Dabei gnarzte er traurig in sein Whiskey-Glas und eine unendliche Ruhe machte sich breit diesseits des 30meter swimming-pools.....(knister)-(zisch)...“

“Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, Lord Beaverbrook war kreidebleich geworden und griff sich mit der rechten Hand auch wirklich ans Herz. “Nein: nicht das so kurz vor dem Ziel!“  Zitternd lüftete er seinen Tropenhelm und wischte sich den Schweiss vom Hirn. Die gesamte Welt schien wie gelähmt zu erstarren, samt üppig vegetierender Flora und episch schnatternder Fauna.

Es war der Baron, der die allgemeine Stimmung wieder auf Zack brachte:

“Was kann denn ein Däne schon von Armut wissen! Für mich gibt’s da nur die Wahl zwischen Irrtum und Fälschung!“

“Wahrlich, so sei es“, ergänzte der Bischof klerikal.

Wässrigen Auges blickte der Lord auf seine Freunde und komplettierte dann den Unsinn mit einem lakonischen:

 “Well, gentlemen, let’s go!“

 

 

Gut getarnt im Schlagschatten eines Affenbrotbaumes erspähten sie zum ersten mal ihr Ziel en action: drei Neger sassen unter einer Palme und tauschten friedlich Kokosnüsse.

“Well, der kleine Dicke da rechts, das muss er sein!“

“Also ick weiss ja nich’, aber dick und arm, wie passt denn det zusammen, wa?“

“Blähbauch, por favore?“

“Good grief, meine Informationen sind über alle Zweifel erhaben, sind sie nicht?”

“Andiamo, sehen wir uns die Sache mal aus der Nähe an!“

“Neenee Keule, in dem Augenblick, wenn wir ihn als Ärmsten der Armen beglückwünschen, verliert er ja durch seinen enormen Statusgewinn sofort wieder den gerade erlangten Ruhm, stellt euch doch bloss mal den Medienrummel vor...“

“Good lord...“

“Pardon? Oh yes, aber reden müssen wir schon mit ihm....“

 

 

 

Drei Gestalten, die so gar nicht in die besonnte Landschaft passen wollten, erhoben sich aus dem Schatten des Baumes-wo-der-Gorilla-hinkackt und näherten sich zögerlich und wie gehemmt Ngomo und seinen Freunden. Ngomo hatte den Handel frustriert beendet, da er nach all den Jahren das strenge Regelwerk immer noch nicht verstanden hatte und griff, wie in solchen Fällen üblich, zu seinem Musikinstrument.

“Der hat ja eine Mandoline!“

“Also ich würde eher sagen, das ist eine landesübliche gorka...“

“Und so richtig nackert sitzt er hier ja auch nicht grade rum...“

Ngomo ignorierte das Geschwätz der unbekannten Tropenwanderer und sang klagend das Lied der Flussbeschatter:

 

 

Was darf die Kunst? Alles!

Und was darf sie nicht? Langweilen!

 

Was darf der Künstler? Alles!

Und was darf er nicht? Rumlabern!

 

Was darf der Konsument? Alles!

Und was darf er nicht? Auch alles!

 

 

Höflich applaudierten die weitgereisten Zuhörer. “So ist das ja häufig: die allerärmsten Schweine haben eine ganz eigene Verbindung zu den elementaren Dingen, da kommt unsereins ja gar nicht mehr mit...“

“Hier könnte ein richtig verstandener Pauperismus helfend ansetzen, aber seit hundert Jahren....“

“Bist du denn nicht nur stark im Entsagen, sondern auch stark im Glauben, mein Sohn?“ beugte sich der schwarzberockte Mann weit ins Unbekannte.

Ngomo sagte: “Ich glaube an die Geburt des Gestern. Ich glaube an die Kälte der Nacht. Ich glaube an die subjektive Leere deines Lebens. Ich glaube an die Geschmeidigkeit der Antilope, weil sie objektiv nicht existiert. Ich glaube an die Existenz des Unglaublichen. Ich glaube an ...“

“Na, das reicht ja mal für’s erste“, versuchte der Bischof den Redefluss des Eingeborenen zu stoppen und es wäre ihm vielleicht sogar gelungen, hätte nicht der Lord begonnen, völlig abwesend ins Leere zu starren, die Augen ins Unendliche fokussiert, die Stimme flach wie ein Witz des Barons.

“Vielleicht“, sinnierte er mitten in die nicht enden wollende Litanei des armen Menschen, “vielleicht glaubt er ja sogar an die Existenz des Nicht-Existenten! Vielleicht kann er uns den Weg weisen aus dem Gefangensein im Unerklärlichen...“

Ein weiterer Schwarzer hatte sich unterdessen der Gruppe hinzugesellt.

“Ngomo! Ich will mein Geld zurück!“

“Ich habe kein Geld.“

 “Gib mir was anderes, um deine Schulden zu bezahlen!“

“Ich habe nichts.“

“Dann gebt ihr mir was!“ wandte er sich jetzt ziemlich brüsk an die Forscher.

“Es ist uns leider nicht erlaubt, helfend einzugreifen...“

“Das würde dem Charakter unserer Mission diametral entgegenlaufen...“
“Na hören Sie mal, wir kennen den Mann doch kaum...“

Schliesslich endete das Streitgespräch mit der feierlichen Übereignung von vierzig Afro-Dollar, deren neuer Inhaber sich freudig entfernte.

Auch Ngomo hatte sich mittlerweile aus dem Staub gemacht.

Einer seiner Kokosfreunde stimmte das Lied vom gläsernen Monarchen an, wie um die Peinlichkeit des Augenblicks zu übertönen:

 

... von drei bis vier wird hart regiert,

zur tea-time whirlt der king im poole,

und wer jetzt einen Blick riskiert

wird ausradiert.....

 

“Verdammt, die haben uns reingelegt!“

Der Bischof starrte verbiestert auf den rissigen Lehmboden, die Schuhspitzen des Lords erzitterten grad eben noch in seinem Blickfeld.

Der rückte seinen Helm zurecht über blaublütigem Hirrrn:

“Well, gentlemen: let’s go!“

 

 

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eine Tasche zurück ...

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