MadStop@Loser's_Paradi.se

nach einer wahren Geschichte aus der nahen Zukunft

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

zu Teil eins

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16

 

  

Der Barkeeper bediente uns mit der Grandezza eines Schlachthofpförtners.

’Ich tu’s nur, weil ich’s muss,’ sprach seine Körperhaltung, ’ist nicht persönlich gemeint’, sagten seine Augen, ’mein Lächeln schon gar nicht’, redete sein Lächeln.... sowas merkt unsereiner natürlich sofort. Dem Pfarrer war’s egal. Er pfiff sich einen cuba libre rein und wurde sofort wieder philosophisch.

“Sagen Sie mal, wenn wir jetzt grad eben das Personal in einem Kriminalroman gewesen wären und wenn man sie im kurzzeitigen Dunkel erschossen hätte, in welcher Art von Krimi hätten Sie’s denn dann gerne gehabt?“, begann er vorsichtig und ohne mich ein einziges mal anzublicken. Offenbar hatte er sich ähnliche Gedanken gemacht wie ich.

“Tja“, grinste ich lahm, “ich denke mal, an der Tatsache als solcher darf man jetzt nichts mehr ändern, oder?“

“Leider nein“, sagte er leise, sah mich aber immer noch nicht an, “Sie werden definitiv von einer Gangsterkugel dahingerafft, die frage ist nur: welcher Autor darf sich glücklich schätzen, diese Szene zu beschreiben? Welche Stilikone darf Ihnen ein literarisches Denkmal setzen?“

Das war eine nicht uninteressante Frage; wenn das Leben ein Roman wäre, wen hätte man gern als Autor? Obwohl: jeder Roman hatte ja seinen Autor, auch wenn die Frage bereits auf Seite zwei auftauchen sollte ... lief das nicht auf eine religiöse Grundsatzfrage hinaus? Die Freiheit des Erschöpften, sich seinen Schöpfer selber auszusuchen ...

“Na, nun sagen Sie mal“, drang der Kirchenfürst in mich und pulverisierte meine hochtrabenden Gedanken.

“Naja“, begann ich zögernd, “es sollte auf keinen Fall einer dieser hyperrealistischen schwedischen Kriminalautoren sein. Die präsentieren ihre Figuren ja derart messerscharf gezeichnet und bis ins kleinste Detail durchanalysiert, dass einem doch jedwede Phantasie den Holmenkollen runtergeprügelt wird ...“

“Warum sollte denn ein Schwede ihre Vorstellungskraft eine norwegische Skisprungschanze runterprügeln?“, fragte der Pfarrer verblüfft.

“Dem Schweden wohnt eine tiefe Abneigung gegen alles mitskandinavische inne“, schob ich hastig nach, “er könnte seine Opfer natürlich auch über die Öresundbrücke jagen, käme doch alles auf dasselbe raus! Nein. Aber natürlich sollte mein Autor auch kein Franzose sein. Maigret! Beziehungsweise Belgier. Simenon! Dann wär’ zu allem Überfluss alles psychologisch genauestens austariert und am Ende hätte mein Mörder auch noch recht damit getan, mich über den Jordan zu schicken! Aber wissen Sie, was mir gut gefallen könnte?“, ich nahm einen grosszügigen Schluck zwischendurch, “ein englischer Autor, das könnte mir gut gefallen!“

“Das ist ja nun nicht sehr originell!“

“Vielleicht nicht, mein gutgläubiger Freund, vielleicht nicht, aber da gibt es doch gravierende Unterschiede! Ich würde mich natürlich niemals von Flachwichsern wie EdgarW oder Weinert-Wilton abmurksen lassen. Oder Agatha Christie. Das heisst, von der vielleicht doch. Käme drauf an. Aber wissen Sie, wen ich mir aussuchen würde?“

“Na?“, kam es aufmunternd und wohl auch ein klein wenig zweifelnd zurück.

“Edmund Crispin!“

“Kenn ich nicht ...“

“Kennt kaum jemand. Macht ja nichts! Sein ’moving toyshop’ gehört zu den zwei, drei Dingen, die ich überallhin mitschleppe. So unverschämt ist noch selten ein Krimi konzipiert worden! Meine Herren! Das geht dann ungefähr so: die Helden sitzen in einem Oxforder Strassencafe und erörtern die Unmöglichkeit, eine bestimmte Person ausfindig machen zu können. Kaum ist der letzte Satz gesprochen, steht am Nachbartisch jemand auf und sagt: ’Sie suchen mich? Well, here i am!’. Edmund Crispin! Was für ein Genie! Und ein unglaublicher Reaktionär obendrein!“

Der Pfarrer lachte leise in sein leeres Glas.

“Nun, warum auch nicht?“

Jetzt sah er mich endlich an.

“Was sind denn die anderen ein, zwei dinge, die Sie ständig mit sich rumschleppen? Aber das geht mich ja wohl nichts an ...“

Ich spielte ein bisschen mit den Augenbrauen und sagte lieber nichts.

“Nun“, fuhr er nach einer kleinen Pause mit völlig undefinierbarem Gesichtsausdruck fort, “da will ich nur mal hoffen, dass die kurze Stromversorgungspanne niemand dazu missbraucht hat, Ihnen einen abgeschnittenen Schweinekopp ins Bett zu legen.“

Er knallte ein paar Münzen auf den Tresen und rutschte elegant von seinem Barhocker.

“Dann wird’ ich mal in meine Mönchszelle wandeln. Hasta luego - hasta resurreccion!“

Hatte ich das jetzt richtig verstanden? Bis zur Wiederauferstehung? Doch wohl nicht von den Toten? Und wieso denn morgen schon? War das nicht ein bisschen sehr früh? Oder war das jetzt, zusammen mit dem Schweinekopp, die zweite massive Warnung des Tages? Oder war es nur ...

Ich ging dann lieber auch.

 

 

 

 (fortsetzung folgt)

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