MadStop@Loser's_Paradi.se

nach einer wahren Geschichte aus der nahen Zukunft

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

zu Teil eins

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15

 

  

 

Der kleine Sitzungssaal war mit Neonleuchten grosszügig ausgestrahlt, trotzdem machte er einen ebenso dustren Eindruck wie der Rest des Hotels. Über dem gesamten Gebäude schien ein unerklärliches Feld zu schweben, das jegliche Form von Energie in sich aufsaugte.

Hyperstrukturen ...

Doch solche hypothetischen Mächte konnten Wilma Waserbomb nicht im geringsten aus der Bahn werfen: mit wahrer Stentorstimme durchbrach sie die allgegenwärtige Lethagie der Sitzungsteilnehmer und tatsächlich schienen die Lampen im Saal sofort um etliche Kilowatt zuzulegen. Brabazon hätte es eigentlich als erster und lautester vermelden müssen: und es ward Licht!

Brabazon jedoch schwieg und lächelte erwartungsvoll.

Ich kramte den Brief aus meiner Tasche und riss ihn auf. Vielleicht war das ja sogar die angekündigte Kontaktaufnahme. Obwohl: geheime Dienstinstruktionen, vor die Tür gelegt ... so originell arbeitete man in unserem Metier schon lange nicht mehr.

Im Umschlag steckte ein einfaches weisses Blatt Druckerpapier. Darauf stand: ’wir haben Sie im Visier. Wir beobachten Sie Tag und Nacht. Unterlassen Sie alles, was uns verärgern könnte.’

Sonst stand da nichts. So war es recht: schliesslich hatten meine Freunde sich entschlossen, mir nichts über meinen Status zu verraten, warum sollten es meine Feinde da anders halten? Fast hätte ich laut gelacht: meine Freunde? Gut, dass die alle weit weg waren!

Am Rednerpult war Wilma mittlerweile über die einleitenden Sätze hinausgegekommen und hatte sich in die Untiefen der Tagesordnung begeben.

“ ... müssen wir leider feststellen, dass die beliebte Schauspielerin Anna Popplewell aus England hier und heute nicht unter uns weilen wird, da niemand ihr klarmachen konnte, was an ihrem Namen denn nun so komisch ist ...“ (Gelächter)

“Kommen wir also zu Punkt b des Unterantrags sieben, eingereicht von der Sektion Bamberg, hier vertreten durch Kuno Posackl-Müllmann.“ (Gelächter)

“Es geht darin um den ewigen Ausschluss der Namen Hitler, Goebbels sowie der aller anderen Nazigrössen aus unserem Vereinsregister ...“ (Raunen)

Sofort sprang ein anderer Teilnehmer auf und hastete ans Mikrofon. Es war allerdings nicht Freund Norbert sondern ein Vollbart mit grünen Patchwork-Jeans  -  Bamberg war in diesem Hotel eindeutig überrepräsentiert.

“Liebe Freundinnen und Freunde, es geht schlicht darum, ein Zeichen zu setzen! Noch findet zum Beispiel den Namen Hitler niemand komisch. Aber muss das so bleiben? Es sollte eine letzte Linie gezogen werden, eine Linie, hinter der es nichts mehr zu lachen gibt!“

Nun erhob sich ein Schnauzbart und donnerte ganz ohne Mikro durch den Saal: “Das ist doch purer Aktionismus!“

Kuno parierte sofort: “Jaja, ich weiss es ja, Genosse Schicklgruber, Ihnen passt die ganze Richtung nicht ...“

“Das ist doch der reine Populismus!“, brüllte wiederum sein Konkurrent zurück, und selbst Wilma schien für einen kurzen Moment die Fassung zu verlieren, hatte sich aber schnell wieder gefangen: “Nun, ich spüre da einen gewissen Diskussionsbedarf“, improvisierte sie mit feiner Ironie, “wir sollten den Antrag daher erst einmal zurückstellen und an die zuständigen Gremien verweisen. Wer ist dafür?“

Ein Wald von Armen erhob sich.

“Puvogel, Schnappauf und Schnipkoweit sind auch nicht da!“, posaunte mein Tischnachbar in den Abstimmvorgang hinein.

“Wer ist denn das?“ fragte ich.

“Puvogel, Schnappauf, Schnipkoweit. Das sind unsere Landespolitiker, ziemlich hohe Tiere, sind sich wohl zu gut für’s gemeine Volk.“

“Pupvogel?“

“Also ich bitte Sie: Puvogel ist ja wohl schon schlimm genug   ...  Pupvogel wär eher was für unsere hardcore-section und die trifft sich gerade in Kuala Lumpur.“

“Tiefstes Niedersachsen!“ dröhnte der Diakon dazwischen, unpassend wie eh und je.

Plötzlich ging das Licht aus.

Das war nun nicht weiter dramatisch, denn wir hatten noch nicht mal sechs Uhr und draussen war’s alles andere als stockduster. Trotzdem: in einem Krimi wär das jetzt der eiskalte Augenblick des Mörders gewesen, der Moment des grossen Meuchelns, allenfalls erhellt vom Mündungsfeuer einer Pumpgun ... mit sowas müssen wir Geheimagenten eigentlich ständig rechnen.

Schon nach Sekunden ging das Licht wieder an.

Ich blickte sofort scharf richtung Bühne: hatte Wilma das putative Drama überlebt? Sie schien sich jedenfalls deutlich weniger Gedanken gemacht zu haben als ich, Frohnatur die sie war. Wild gestikulierend redete sie auf ein weiteres Vorstandsmitglied ein, und ab und zu erreichten Wortfetzen den Einzugsbereich des Mikrofons und man verstand Sentenzen wie: “... darf doch wohl nicht wahr sein ...“, oder: “... hat’s ja noch nie gegeben ...“

Das war jetzt vielleicht nicht sonderlich originell, aber mit so einer Pleite musste man auch erst einmal fertigwerden.

Mein zweiter Blick galt dem unsäglichen Pfarrer. Möglicherweise hatte ihn ja ein gnädiger  Gottseibeiuns geholt? Aber nein ...

“Ich denke mal, damit ist der Höhepunkt der Veranstaltung bei weitem überschritten!“, lärmte er in meine Richtung, “kommen Sie, wir gehen mal die Bar näher untersuchen!“

Manchmal konnte man sich wirklich nur noch wundern.

 

 

 

 (fortsetzung folgt)

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