MadStop@Loser's_Paradi.se

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

 

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3

 

 

“Bitte setzen Sie sich!“

Das fing nicht so gut an: “Bitte“ sagen die Vorgesetzten in unserer Firma nicht. Der eine, weil er praktisch nie da ist und der andere, weil er sklavisch auf Effizienz achtet und jedes unnütze Wort als Zeitverschwendung ansieht. Unser Gespräch würde also entweder sehr lange dauern oder entschieden unangenehmer Natur sein. Oder, mit ganz viel Pech, beides. Da war es schon besser, wenn man sass. Besser für den Chef natürlich. Der sitzende Untergebene verbraucht schliesslich bei einem Wutanfall bereits dermassen viel Energie durch heftiges Aufspringen, dass jede Aggressivität schon im Ansatz erheblich gemildert wird. Zudem erzeugt die Tatsache der gleichen Augenhöhe sofort die Illusion von Waffengleichheit. Wer sich vor seinem Chef hinsetzt, hat also im Grunde schon verloren. Sogar niederknien und den Staub zu seinen Füssen küssen ist eine bessere Strategie des Gegenübertretens: der Wurm im Dreck darf sich winden und verrenken, der Mann auf dem Stuhl darf nur die Haltung bewahren und die Schuhe in die Auslegware stemmen.

Ich blickte kurz auf den schäbigen Bürostuhl, der akkurat vor dem Chefschreibtisch Stellung bezogen hatte. Stand der eigentlich immer hier?

“Nun setzen Sie sich schon endlich hin, verdammt nochmal!“ wurde der grosse Vorgesetzte konkret und tippte mit dem rechten Zeigefinger energisch auf die Schreibtischplatte.

Als ich sass, konnte ich ihm genau in die wasserblauen Augen sehen, die hinter einer schwarzen Horngestellbrille absolut gar nichts sagten. Paradies. Sofort ging’s los.

“Wie sie ja sicherlich wissen, war ich vor meiner jetzigen Tätigkeit in einer gewissen Behörde als Dienststellenleiter tätig und aus dieser Zeit haben sich gewisse Kontakte erhalten. Was der Firma wahrlich nicht zum Schaden gereicht haben dürfte, nunja.“

Er presste die Lippen leicht zusammen und blickte kurz und sinnlos aus dem Fenster.

“Jetzt sind wir von dieser Behörde ein weiteres mal zur Mitarbeit aufgefordert worden. Und zwar in einem Fall, der alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Tja! Daher auch die ungewöhnliche Weitschweifigkeit meiner Rede: In diesem Fall ist tatsächlich alles dermassen geheim, dass sogar ich nicht genau weiss, um was es eigentlich geht.“

Für einen kurzen Moment schien Verärgerung sein Gesicht zu verdüstern, aber das konnte täuschen; es ging auch gleich im alten Tonfall weiter: “Also kurz und gut: Sie müssen sofort für 14 tage nach Mallorca!“

Nun war ich aber doch froh, dass ich sass. Mallorca! Wenigstens liess mich meine Geistesgegenwart nicht im Stich: “Was soll ich denn auf Mallorca?“

“Gute Frage!“ lobte mein Chef und feuerte eine volle Breitseite seines Humors auf mich ab: “Sogar eine sehr gute Frage! Und darauf gibt’s auch gleich eine sehr gute Antwort: ich habe nicht die geringste Ahnung!“

Er durchstöberte kurz einen kleinen Aktenberg auf seinem Schreibtisch und reichte mir schliesslich eine Klarsichthülle, die einige Papiere enthielt: “Hier sind ihre Tickets und sonstigen Unterlagen, alles, was Otto Pauschaltourist halt so braucht, nun wünsche ich Ihnen noch viel Glück und einen guten Flug und jetzt ab Richtung Aeroporto, wie der Spanier zu sagen pflegt, die Maschine geht um 17.45 Uhr!“

“Ja, könnte das nicht besser jemand anderes erledigen ...?“ wagte ich lahm einzuwenden, “Kometen-Karl vielleicht ...“

“Also bitte! Wie ich Ihnen gerade auseinandergesetzt habe, handelt es sich bei diesem Fall um einen top-secret-case! Da brauch’ ich absolutes Spitzenpersonal! Hab’ ich das? Nein! Da bleiben doch bloss noch Sie! Und was wollen Sie eigentlich: andere bezahlen viel Geld um nach Mallorca zu kommen! So: der Flieger startet also um 17.45 Uhr  -  jetzt haben wir 11 Uhr 30 ...“

Er grinste böse:

“Da bleibt ihnen eine Stunde für die Heimfahrt und, wenn sie nur mässig rumtrödeln, auch noch eine Stunde zum Packen plus eine Stunde zum Durchlesen der Unterlagen.“

Jetzt grinste er noch böser:

“Da bleibt sogar noch eine Stunde für amouröse Verflechtungen, wenn’s denn sein muss! Und dann haben Sie immer noch gute zwei Stunden, um sich irgendwie zum Flughafen durchzuschlagen!“

Ich überlegte blitzschnell, ob ich nicht auf der Stelle kündigen sollte. Bei meinem momentanen Kontostand war das allerdings eine rein akademische Übung.

 

 

(fortsetzung folgt)

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