MadStop@Loser's_Paradi.se

nach einer wahren Geschichte aus der nahen Zukunft

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

zu Teil eins

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17

 

 

Kein totes Tier lag im Bett.

Und drunter auch nicht.

Kein Untoter begehrte Einlass durch den Badezimmerspiegel und kein Ghoul heulte chromatisch vor meinem Fenster.

War ich denn wirklich erst einen Tag hier?

Man kennt das zwar: Urlaub, das alte Leben plötzlich so weit weg ...

Aber erstens machte ich gar keinen Urlaub und zweitens ... zweitens ...

Ich erwachte vom tobenden Fernsehgerät, vor dem ich so unvermittelt eingeschlafen war. Quietschende Bremsen, Explosionen, Schüsse: Kollege Schwarzenegger tat unüberhörbar seinen Dienst. Ich drehte dem Kasten den Saft ab und stellte mich ans Fenster und blickte in das Nachtleben unter mir. Ein Fiat Polski polterte sanft die Avenida hinunter, die Palmen hatten ihr unnützes Gewedel eingestellt und ragten spärlich beleuchtet gegen den tintenschwarzen Nachthimmel. Erst jetzt bemerkte ich den kleinen Balkon vor meinem Zimmer und die schmale Tür, die, perfekt getarnt von einem Vorhang, in 2 qm Freiluft führte. Schönes Wetter ante portas ...  Der grosse Zauberer schien das Heft des Handelns bereits mit sicherem Griff an sich gerissen zu haben.

 

 

 

Der zweite Tag begann wie der erste: der Wecker, das Frühstück, der Pfarrer neben der Klotür ... neu und überaus erfreulich war allein die Tatsache, dass ich meinen Platz am Tisch von Wilma Wasserbomb gefunden hatte.

“Wenn das Wetter tatsächlich besser wird, könnten das ja doch noch 14 interessante Tage werden“, sagte sie herzhaft kauend.

“So lange dauert der Kongress?“, fragte ich höflich, wenn auch etwas ungeschickt, denn als Mitglied ihrer obskuren Vereinigung hätte ich die Antwort ja kennen müssen. Äusserst positiv hingegen die Tatsache, dass Wilma genauso lang bleiben würde wie ich.

“Nein, der Kongress ist doch übermorgen schon zu Ende“, kam ein sanfter Verweis, “der Rest der Zeit ist für mich einfach nur Urlaub, Urlaub, Urlaub. Wie lange bleiben Sie?“

“Vierzehn Tage ...“

“Dann machen sie also auch Urlaub?“

“Naja. Zwangsurlaub sozusagen, mein Chef hält mich für chronisch überspannt und abgeschlafft und hat mir deswegen zwei Wochen Mallorca verordnet.“

“Finden Sie wohl nicht so gut, wie?“

“Ich langweile mich zu Tode!“

“Ach, Sie Ärmster!“, bedauerte Wilma mich und liess sich deutlich anmerken, dass ihr soeben eine famose Idee gekommen war.

“Wissen Sie was, kommen Sie doch einfach morgen mit zum ’holy chicken run’. Ihr Freund der Pfarrer hat mich eingeladen. Um zehn nach drei wollen wir los.“

Also, das war ja kaum zu glauben! Wieso hatte der denn mich nicht eingeladen? War nun ich, Kommissar Holzpuke, sein alter Seelentröster oder war es Wilma Wasserbomb?

“Was ist denn ein 'holy chicken run', um Himmels willen?“, fragte ich stattdessen.

“Also“, amüsierte sich Wilma elegant, “wenn ich das richtig verstanden habe, handelt es sich um eine art Sportfest des weltweiten Klerus. Die rennen alle um den Dom in Palma und suchen in verschiedenen Disziplinen ihren Herrn und Meister. Angeblich soll es sogar einen Marathonlauf geben. Körperliche Fitness wird neuerdings grossgeschrieben in der Sancta Ecclesia.“

“Das sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen“, sagte ich gedehnt und blickte mit Aplomb in richtung Herrenklo.

 

 

 

 

Ich beschloss nach dem Essen spontan, den Ort meiner Verdammnis etwas genauer unter die Lupe zu nehmen; das mit der Lupe war gar nicht so falsch, jedes bayerische Kuhdorf wäre eine Metropole gegen Granduino gewesen. Im Zentrum der Kalamität stand unglaublicherweise ein Aldi-Markt, sicherlich als Zugeständnis an eingefahrene Konsumgewohnheiten der zahlenden Gäste gedacht, aber faktisch war er die Klammer, die den ganzen Ort zusammenhielt. Die totale Kapitulation des Archaischen vor der schönen neuen Warenästhetik ... zum Kotzen!

Der Laden selbst machte einen entschieden aufgeräumten und sauberen Eindruck und schnell hatte ich meinen Einkaufswagen gefüllt mit dem unterschiedlichsten Krimskrams. An der Kasse erwarb ich sogar eine Tragetasche und schlenderte dann noch ein bisschen durch den Ort. Was sollte ich eigentlich bei diesem eigenartigen 'holy chicken run'? Man musste ja nun wirklich nicht jeden Quatsch mitmachen ... 

Als ich wieder zum Hotel zurücktrabte, begann ich mir ein wenig komisch vorzukommen: die erste Grosstat, die der luzide Geheimagent vollbringt, ist, mit einer Aldi-Tüte durch die Gegend zu salpatern ... da hatte der grosse Chef tatsächlich mal recht: man konnte seine Tarnung auch übertreiben! Und überhaupt: wenn ich schon auf Mallorca mit einer Aldi-Tüte über Land zog, konnte ich ja wohl erst recht die holy-men-stampede begutachten. Vielleicht ergab sich da ja sogar die möglichkeit, Wilma näherzukommen und den lästigen Pfarrer gekonnt abzuservieren.

Auf meinem Zimmer packte ich den ganzen Aldi-Quatsch aus und betrachtete die Tüte lange und ausdauernd.

  

Dann war alles ganz klar: ich griff zum Telefonhörer und verlangte Wilmas Zimmer.

 

 

 

 

 (fortsetzung folgt)

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