MadStop@Loser's_Paradi.se

nach einer wahren Geschichte aus der nahen Zukunft

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

 

eine Folge zurück

 

9

 

 

 

Ich träumte, die Welt hätte aufgehört, sich zu drehen.

Natürlich nicht die ganze Welt, bloss die gute alte Erde, aber viel mehr Welt war für unsereinen ja ohnehin kaum erreichbar. Was hatten sich damals nicht alle aufgeregt über die DDR und ihre restriktive Reisepolitik! Dabei war der Rest der Menschheit doch kaum besser dran, universell gesehen. Geboren, notiert und abgelegt auf 0,00000000001 Promille des World Wide Weltall würde man ebenda dereinst auch sein müdes Haupt zur letzten Ruhe betten, zuvor aber unbedingt noch von unbeschränkter Reisefreiheit schwadronieren müssen wie die Kesselflicker.

Während sich nun (jedenfalls in meinem Traum) erster irdischer Unmut breit machte über den so abrupt veränderten Lauf der Dinge, trat eine nicht unbedeutende Nebenwirkung auf den Plan: mit dem Verlust der Eigendrehung hatte der Planet der Erdlinge auch jegliche Gravitationskraft verloren und alles, was nicht fest verankert im Erdreich, eingeschlossen in dustren Kerkern oder sonstwie fachgerecht an irgendeinem Fixpunkt verzurrt war, begann sich sachte aber stetig in die Lüfte zu erheben und in völlig unbekannte Fernen zu entschweben. Und das Beste dabei war: die unumstössliche Gewissheit, nie und niemals wieder runterzufallen, es sei denn, Mutter Erde wollte sich doch noch entschliessen, ihren alten Schwung wieder aufzunehmen.

 Wie um alle Zweifel in nichts aufzulösen, machte sich nun ein Chor alter, weiser Männer ans Werk, bedächtig, hymnisch und wie betört von der Tiefe des eigenen  Verständnisses, ein Lied zu singen, das offenbar auch die letzten Bedenkenträger beruhigen sollte, obwohl ich allerdings nicht ein Wort verstehen konnte.

Das Abbild der Sänger schwebte jetzt direkt neben mir, guter Gott, einer sah ja aus wie Mielke und der daneben wie Honecker und plötzlich verstand ich auch den Text:

“ ... wacht auf Verdammte dieser Erde, die stets man noch zur Arbeit zwingt ...“

Ich fuhr senkrecht im Bett hoch. Clara-Vera!     

Diesen Wecker des absoluten Grauens hatte Clara-Vera mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt, weil ich ein verpatztes Date mit der Ausrede entschuldigt hatte, ich wäre aufgrund anstrengender nächtlicher Dauerobservationen schlicht am Abendbrottisch eingeschlafen und erst wieder aufgewacht, als der Ober eigentlich das Entrecote Surprise hätte servieren sollen. Zusammen mit ihren Kumpanen von der Online-Redaktion hatte sie dann eine völlig unterirdische Version der Internationale aufgenommen, zu Hause multimedial nachbearbeitet und irgendwie in einen Radiowecker appliziert. Dieses Teil nun schleppte ich überall mit hin, um Clara-Vera meinen guten Geschmack, mir aber mein schlechtes Gewissen zu beweisen.

Ausserdem besass es eine Snooze-Taste ...

 

 

 

 

(fortsetzung folgt)

eine Folge vor

HOME