MadStop@Loser's_Paradi.se

nach einer wahren Geschichte aus der nahen Zukunft

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

 

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Um acht Uhr früh konnte ich Clara-Vera natürlich noch nicht anrufen. Aber frühstücken gehen in aller Ruhe, das konnte ich; wir Geheimagenten brauchen schliesslich ordentlich was auf die Kiemen. Ich gönnte mir den kleinen Spass, die Etage bis zum Speisesaal mit dem Hotelaufzug runterzugondeln. Aufzüge aller Art kommen auf meiner privaten Skala des Grauens gleich nach Flugzeugen. Bei nur einer Etage Fahrtstrecke allerdings hat man eine sehr schöne Gelegenheit, sich seinen Mut zu bestätigen bei klug minimiertem Restrisiko. Kurz bevor wir ablegten, glitt die Lifttür noch einmal auseinander und herein trat ein Freizeitanbeter der gehobenen Mittelklasse, die mittelteure Sonnenbrille mittig in die Haare gesteckt und das Abercrombie-and-Fitch-Hoodie lässig mit den Ärmeln mitten um den Schwanenhals geknotet.

“Hallo, Sie kenn’ ich doch“, rief er begeistert, “Sie haben im Flieger schräg vor mir gesessen! Ist doch echt cool hier, oder? Ich bin übrigens der Norbert aus Bamberg!“

Welch gelungener Start: der Pöbel hatte mich bereits ins Herz geschlossen, während ich noch in aller Stille den Geheimagenten durchzog! Ich jedenfalls hatte den Typ noch nie bewusst gesehen. Vielleicht sollte ich mir auch so eine Sonnenbrille zulegen?

“Oh! Ja, sehr angenehm ...“, antwortete ich und schon glitten die Türhälften wieder auseinander und wir waren im Erdgeschoss.

“Erdferkelgeschoss!“, kommentierte Norbert sensationell, “Also, man sieht sich ...“

“Na klar doch.“

Ein kurzes, unauffälliges Zögern von mir: wollte die Knalltüte etwa auch ins Restaurante? Nein, er bewegte sich energisch Richtung Reception, ich nickte ihm noch kurz und ermutigend zu und bog dann in den nächsten Gang rechterhand ab, immer der Nase nach, dem Kaffeeduft hinterher. Bienvenido a Mallorca: Sogar der Kaffee roch hier nach Sangria.

Das Hotel schien trotzdem gut belegt zu sein, die Tische waren jedenfalls mit den hauseigenen Touristen vollgepackt bis an die Schmerzgrenze. Ganz hinten, wo die WC-Anzeigen mit den Fluchtweg-Piktogrammen um die Wette leuchteten, war aber noch was frei: ein Vierer-Tisch von nur einer Person besetzt; die hatte sich allerdings eine Zeitung derart vor die obere Körperhälfte drapiert, dass man lediglich die Hände am Papierrand sehen konnte. Bueno! Das verhiess ein mächtig kommunikationsfreies Frühstück. Ich näherte mich dem Tisch und machte dezent einige kehlige Geräusche, weil ich ja nicht wusste, in welcher Sprache ich mich einzuführen hatte. Sowas konnte auch nur einem Deutschen passieren, analysierte ich sofort, nur ein Deutscher konnte sich Gedanken machen über die rechte Form der Ansprache, alle anderen Erdenmenschen würden jetzt einfach irgendwas in die Runde tröten, sollte doch der Angesprochene seine linguistischen Kompetenzen unter Beweis stellen ... so landete ich schliesslich wie von selbst bei einem unverbindlichen “Scusi ...?“ und zog schon mal den Stuhl zurück.

Die Zeitung senkte sich leicht herab: mein Peiniger, mein Flugbegleiter, mein guter Hirte

in der Stunde höchster Not: der schwarze Gast vom Economy-Class-Nebensitz!

“Guten Morgen, mein Sohn, na, das ist ja ein überraschendes Wiedersehen!“, predigte er mit voller Stimme, sah dabei aber alles andere als überrascht aus. Ich rettete mich in mein Pokerface und setzte mich erstmal hin.

“Die Wege des Herrn Pfarrers sind ja wirklich wunderbar! Wieso waren Sie eigentlich nicht in meinem Shuttle-Bus?“

“Ach“, winkte er leichthin ab, “ich hab’ mir ein Taxi genommen.“

“Vielleicht hätten wir uns ja eins teilen können ...“, murmelte ich, immer noch wie vom Donner gerüht. Wäre ich nicht knallharter Profi gewesen, hätte ich jetzt bestimmt angefangen, an wilden Verschwörungstheorien zu basteln ... aber das war ja Unsinn.

Oder?

 

 

 

 

 

(fortsetzung folgt)

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