MadStop@Loser's_Paradi.se

nach einer wahren Geschichte aus der nahen Zukunft

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

 

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11

 

 

Durch die Speisesaaltür strebte nun auch Norbert einem Frühstückstisch entgegen, hatte aber unterwegs noch zwei Begleiterinnen aufgegabelt. Als er mich entdeckte, grinste er entschieden zu freundlich und wedelte mehrfach mit der Hand in Richtung unseres Tisches, offensichtlich wurde die eine Reisebekanntschaft soeben der anderen vorgestellt. Die Damen nickten interessiert und wohlwollend zu seinen Ausführungen. Wenn das in dem Tempo weiterging, würde man mich in spätestens drei Tagen zum Inselsprecher der touristischen Vereinigung Mallorca-Süd gewählt haben.

Der Kirchenmann hatte seine Zeitung mittlerweile beiseitegelegt und schien seine Aufmerksamkeit voll und ganz mir widmen zu wollen:

“Sehen Sie, ich kann mir auch was Schöneres vorstellen, als hier in unmittelbarer Nähe zum Scheisshaus mein Frühstücksei aufzuschlagen ...“

Ich lächelte milde zu diesem rustikalen Gesprächsangebot. “Ach, was soll’s, ich hab in meiner Sturm-und Drangzeit sogar mal ein Gedicht über ein Scheisshaus verfasst, im Rahmen eines Dichterwettstreits einer grossen deutschen Toilettenpapierfirma. Wollen Sie’s mal hören?“

“Ich bitte darum!“

Ich räusperte mich und begann, um einiges unsicherer als mir lieb war, zu deklamieren:

“` Wenn’s Scheisshaus brennt, hilft unerreicht: Löschpapier! Nimm Hakle feucht ...’“

Schweigen.

“ ... hab aber leider nicht gewonnen ...“

“Machen Sie sich nichts draus. Wahrscheinlich sind Sie einfach nur anal fixiert, warum auch nicht? Aber sagen Sie mal: was machen Sie eigentlich hier? Urlaub?“

“Nun“, begann ich abwägend, “eigentlich nicht. Ich bin eher beruflich hier.“

Ich liess eine angemessene Pause verstreichen und sprach dann, sehr ernst und eine halbe Oktave tiefer: “Ich bin Geheimagent!“

Dazu lächelte ich verschwörerisch und kniff leicht ein Auge zu. Dieser offenkundige Blödsinn sollte meinem Gegenüber eigentlich jede Lust auf weiteren small-talk verhageln.

Weit gefehlt!

“Geheimagent! Du meine Güte! Da müssen Sie ja ein mächtig interessantes Leben führen!“, lächelte er genauso verschwörerisch zurück. Oder lächelte er am Ende nur herablassend, weil er mich sofort durchschaut hatte? Und machte sich in einer Weise über mich lustig, der man kaum etwas entgegensetzen konnte? Das wollte mir nun nicht so gut gefallen.

“Ach, wissen Sie, Padre, es geht!“, lächelte ich noch verschwörerischer und zog dazu die linke Augenbraue hoch. Eine Kunst, die nicht jeder beherrscht.

 “Aber was machen Sie denn eigentlich hier?“

“Naja“, sagte der Pfarrer, “es ist eine Art konfessionsübergreifendes Konklave, was mich auf dieses Eiland verschlagen hat ... das ist natürlich für Heiden wie Sie alles schrecklich uninteressant ... Sehen Sie, einmal in drei Jahren treffen sich Gläubige der verschiedensten Religionen zu einer Art Erfahrungsaustausch, der breiten Öffentlichkeit ist das bisher gar nicht so recht bewusst geworden, muss es ja auch nicht. Aber auf meine Weise bin ich dann wohl auch ein Geheimagent, nicht wahr, aber warum auch nicht?“

Der heilige Mann lachte dermassen dröhnend, dass der Tisch angemessen dazu wackelte.

Das war nicht uninteressant: sollten vielleicht die es sein, denen meine ganze Aufmerksamkeit im Falle eines Falles zu gelten hatte?

“Aber ist es nicht äusserst merkwürdig, dass sich zwei Geheimagenten wie von selbst an einem Tisch versammelt haben? In wessen Namen auch immer?“, fuhr mein Gesprächspartner aufgeräumt fort: “Ist doch nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung fast unmöglich, oder? Es sei denn“, hier senkte er die Stimme absolut endverschwörerisch und fuhr den linken Zeigefinger aus, “es sei denn: die anderen sind ... auch alles Geheimagenten!“

Der Tisch bebte erneut.

“Jaja“, versuchte ich ironisch zu kontern, “wie schon Sartre sagt: ’die Geheimagenten, das sind die anderen’...“.

“Sartre ...“, echote der Pfarrer, “Gott, der ist ja auch schon so lange tot ...“.

Wie um zu beweisen, dass das Leben trotzdem akkurat weiter zu gehen habe, griff er zum nächsten Brötchen und begann es fachmännisch aufzuschneiden. Zu all dem rührte ich reserviert in meinem Kaffee herum.

“Sagen Sie mal, sie sehen ja nicht gerade übermässig ausgeschlafen aus ...“, brach nun der Seelsorger bei ihm durch.

“...ach“, knautschte ich, “ich konnte gestern Nacht nur sehr schlecht einschlafen ...“

“... ein nur zu bekanntes Problem!“, seufzte der schwarze Mann mit vollen Backen, “Je stressiger der Beruf, desto schwerer fällt der geschundenen menschlichen Seele das Abtauchen in die Sphäre der absoluten Entspannung ...“

Er stach mit dem Messer in die Luft, wie um der Schlusspointe den gebührenden  Nachdruck zu verleihen: “... doch der gesegnete Schlaf kommt nicht über Nacht!“

Sein Arm sank leicht herab, das Messer zeigte nun auf mich.

“Wahrscheinlich haben Sie sich die halbe Nacht in ihrem Bett gewälzt und versucht, irgendeiner Sache auf den Grund  zu gehen, stimmt’s? Ein typisch Deutscher muss ja immer alles analysieren und hinterfragen ... vor allem muss er aber ständig die Welt erklären können!“

“Ja“, sagte ich, “genau: wir Deutschen haben die Welt nur unterschiedlich erklärt – es kömmt aber darauf an sie zu verbessern!“

 “Wie schön Sie das gesagt haben – vor allem das historisch korrekte es kömmt ...“

Er schluckte zweimal gewaltig und das Frühstück war verschwunden. “Aber um die Welt zu verbessern sind wir beide doch genau die richtigen, nicht wahr? Ein jeder natürlich auf seine ganz spezifische Weise ...“ Dröhnendes Gelächter.

Der Rest des Frühstücks verlief eher nonverbal: ich schmierte verbiestert meine Brötchen, er trank seinen Kaffee und kicherte ab und zu in seine elfenbeinweisse Tasse. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich für den ganzen langen Tag nicht das geringste Programm hatte - ein paar Telefonate waren jetzt vielleicht ganz angebracht. Ich nickte meinem Tischgenossen kernig zu, knallte die Serviette auf die Untertasse und ging zum Fahrstuhl. Nein, diesmal würde ich doch lieber die Treppe nehmen. Ein Norbert am frühen Morgen reichte. Die Treppe war ziemlich schmal und schon nach ein paar Schritten stiess ich mit einer Frau in lila Hosen zusammen.

“Oops!“, sagte sie, wie mittlerweile wohl alle Welt sagt, und ich entgegnete automatisch: “Macht doch nichts ...“

“Ach, sie sind wohl auch ein Deutscher, was?“ fuhr sie lebhaft fort und verströmte Sonnenstrahlen quer durchs Treppenhaus. Jemanden mit derart guter Laune hatte ich schon lange nicht mehr über den Haufen gerannt.

“Gehören Sie auch zu uns?“, fragte sie.

“Wer ist denn uns?“, fragte ich.

“Die Nationale Liga eigenartiger Eigennamen! Wir haben hier unsere Jahreshauptversammlung. Ich bin Wilma Wasserbomb, Schriftführerin und dritte Vorsitzende.“

Ehe ich auch nur den Mund hätte öffnen können, hörte ich eine nur allzu bekannte Stimme hinter mir:  “Aber ja, natürlich gehören wir auch dazu! Ich bin Erzdiakon Brabazon und das hier ist mein alter Kumpan und Seelentröster Kommissar Holzpuke!“

 

 

 

 

 

(fortsetzung folgt)

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