MadStop@Loser's_Paradi.se

nach einer wahren Geschichte aus der nahen Zukunft

(c)2008 by Sebastian Swampdiver

 

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13

 

  

 

Zurück in meinem Zimmer öffnete ich als erstes den Koffer und hob die oberen Wäscheschichten heraus. Auf dem Kofferboden hatte ich eine Brieftasche verstaut, natürlich ohne Briefe, daneben ein Notizbuch, natürlich ohne Notizen, darunter einen Taschenkalender, natürlich ohne Taschen ... alles Dinge also, die für einen ungebetenen Besucher von gewissem Interesse sein sollten. Und alle nach einem millimetergenauen System angeordnet und aneinander ausgerichtet und alles lag jetzt leicht verändert auf dem Innenfutter und signalisierte mir: Mein Zimmer war durchsucht worden.

Das war zwar leicht beunruhigend, aber im Grunde egal: ich wusste ja selber nicht, warum ich hier war; da konnte man noch so gründlich suchen, niemand würde jemals Hinweise auf irgendwelche geheimnisumwitterten Tätigkeiten unter meinen Klamotten finden. Womit dann die Neugier von wem auch immer für’s erste gestillt sein sollte ... eigentlich ... hoffentlich ... sicherlich ...

Andererseits: der Koffer war – und jetzt wurde es dann doch beunruhigend  -  sehr professionell durchwühlt worden, ein kleptomanes Zimmermädchen oder ein typischer Hoteldieb hätten es sicherlich nie im Leben geschafft, die Ordnung in meinem koffer fast hundertprozentig wieder herzustellen.

Ich setzte mich aufs Bett und wählte Clara-Veras Nummer.

“Ja? Hallo?“, quoll es verschlafen aus meinem Handy. “Wer ist denn da?“

“Hier Kommissar Holzpuke!“ schnarrte ich in den Apparat und eine ultracoole Stimme würde jetzt schneidig aus Clara-Veras Micky-Maus-Telefon hervorbrechen. So malte ich mir das jedenfalls aus.

“Ach duu...“, sickerte es träge und bleischwer aus dem Hörer; wieso war die Frau um diese Uhrzeit eigentlich noch so müde?

“Sag mal, bist du wirklich auf Mallorca?“

“Ja sicher, hab’ ich doch gesagt. Alles rein dienstlich. Hab’ ich aber auch schon gesagt! Da war einfach nichts zu machen ...“

“Und dein Dienst dauert zufällig genauso lange wie ein durchschnittlicher Pauschalurlaub?“

“Hat der Chef jedenfalls gesagt ...“

“Du hast ja’n Knall!“

Unsere Dialoge wurden auch immer kürzer; viel Spielraum nach unten blieb da allerdings nicht mehr. In vierzehn Tagen würden wir wahrscheinlich völlig wortlos miteinander telefonieren: true lovers do it the wittgenstein-way ...

Zeit den Fernseher anzuwerfen.

Ich zappte solange durch die Programme, bis ich einen deutschen Kanal gefunden hatte. Die schrecklichen Menschen vom Frühstücksfernsehen versuchten soeben unverkrampft lustig zu sein. Ich musste beinahe lachen, als ich mir vorstellte, der Erzdiakon würde sich unvermittelt dazugesellen und leutselig dazwischensalbadern: “Na, meine lieben Kinder, treibt ihr wieder Schabernack?“

Aber ob Erzdiakon Brabazon mir Clara-Vera ersetzen konnte? Merkwürdiger Gedanke ... also dann wollte ich doch lieber Wilma Wasserbomb!

Handy Nummer eins vibrierte scheppernd auf dem Tisch. Clara-Vera wollte sich entschuldigen ... na also!

“Hier Kommissar Holzpuke!“, begann ich erneut. Beim zweitenmal fiel das schliesslich schon unter running gag und sollte somit für den dringend benötigten human touch sorgen.

“Man kann die Tarnung auch übertreiben!“, quarrte mein Chef. Wieso waren die beiden eigentlich immer gleichzeitig im Telefon?

“Ist bei Ihnen sonst soweit alles klar?“

“Denke schon, Chef. Was neues, was ich wissen müsste?“

“Sie werden zu gegebener Zeit kontaktiert. Halten sie sich solange aus allem raus. Ende.“

Erzähl das meinem Koffer, dachte ich und feuerte das Handy in die Dusche. Warum auch nicht?

Im tv lief tatsächlich ein Kurzbericht über Mallorca, ein Aussenreporter stolperte durch eine absurd verkabelte Landschaft und beendete seinen Rundgang vor einem gigantischen Sitzmöbel, dem grossen Samstagabendshow-Sofa, dem noch viel grösseres bevorstand.

 “ ... und hier, meine Damen und Herren werden sie dann also sitzen, der Magier Copperfield, die singende Schauspielerin Catterfeld, der neue Stern am Pop-Himmel Barney Cornfield und viele weitere Gäste aus den Bereichen Sport, Politik und Showbiz, die Arena ist selbstverständlich schon seit Wochen ausverkauft, die Sicherheitsvorkehrungen sind so hoch wie nie und die Sendezeit knapp wie eh und je. Aber das war ja noch nie ein Hindernis ...“, plärrte der Jungzausel in die Kamera und hielt dann sein Mikro einem Bühnenarbeiter unter die Nase, der auch spontan irgendetwas auf spanisch brabbelte, was sofort mit  “... ja, also hier sind alle schon so richtig aufgeregt ...“ übersetzt wurde. Fuck!

Ich hatte mittlerweile ziellos das Programm durchgezappt und war bei einem der zahllosen Kommerzsender gelandet, die schon früh am Morgen ihr Publikum mit einer dieser unausrottbaren Bud Spencer/Terence Hill Prügelschmonzetten bei der Stange zu halten versuchen. Terence Hill hatte soeben an einer Strandbar Platz genommen und unterhielt sich mit einer Bikinischnitte, die hinter dem Tresen den Bartender spielte. Ich lachte sarkastisch. So sah also der Alltag eines Berufschnüfflers aus.

Terence Hill grinste verführerisch und sagte: “Ich bin nämlich Geheimagent ...“

Ich schaltete das tv ab und pfefferte die Fernbedienung unters Bett. Nun hatte ich bereits am ersten Tag fast sämtliche elektronischen Hilfsmittel zerdeppert ... wie sollte das alles enden? Ein Blick auf die Uhr: noch zweieinhalb Stunden bis zum Mittagessen. Wenn die restlichen 13einhalb Tage sich genauso dahinschleppen sollten wie die ersten Stunden ... Ob die Geheimagenten-Krankenkasse auch Langeweile als Berufskrankheit durchgehen liess?

Ein Blick aus dem Fenster: der sichtbare Teil Mallorcas krümmte sich unter einer Regenfront und der unsichtbare wahrscheinlich auch. Der Zauberer würde einiges zu tun bekommen, wenn er die Open-Air-Sendung noch retten wollte.

 

 

 

 

 

 

 

(fortsetzung folgt)

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