(c)2008 by Sebastian Swampdiver
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Damit widmete er sich wieder seiner Zettelwelt und liess mich frierend auf dem Nachbarsitz zurück. In einem Comic hätte jetzt ein riesiges Ausrufezeichen über meinem Kopf geschwebt. Was für ein seltsamer Heiliger! Mit dem satz „päpstlicher als der Papst“ konnte man dem nun wirklich nicht kommen.
Ich versuchte krampfhaft, nicht aus dem Fenster zu sehen. Um mich abzulenken, begann ich zu überlegen, wie der Spruch “päpstlicher als der Papst“ denn in den verschiedenen Weltsprachen lauten mochte. Jedenfalls in denen, die ich kannte. Hmmm. In Holland nannte man den Papst ja wohl Paus. Ik ben pauslijker dan de paus... hübsch! Und auf Englisch? The pope? Oh gosh, don’t be more popy than the pope! War ja fast noch besser! Russisch? Spanisch? Leider keine Ahnung, blieb eigentlich nur noch Italienisch: Il papa! Molto papabilissimo… aber nein, das war doch eher enttäuschend und obendrein wahrscheinlich auch noch grundfalsch. Was sich als amüsanter Zeitvertreib angelassen hatte, wurde unversehens zu einem Zerrbild meiner beschränkten sprachlichen Fähigkeiten!
Ein verkappter Blick nach rechts: Ob Fürchtegott Polyglott da wohl ein besseres Bild abgeben mochte?
“Sagen Sie mal, wissen Sie eigentlich, was ’Papst’ auf französisch heisst?“
Mein Nachbar blickte leicht indigniert in meine Richtung. Ich hätte mir sofort die Zunge abbeissen können: französisch! Leichter ging’s ja nun wirklich kaum!
“Le pape!“ kam es auch sofort vom Nebensitz herübergerattert.
“Aber wissen Sie auch, was der Papst morgens beim Rasieren sagt, noch vor dem Frühstück?“ hakte ich rein intuitiv nach.
“Nein!“, zischte es zu mir herüber.
“Na, der sagt natürlich: ’Wenn ich mich so im Spiegel seh’...
mein Gott, bin ich papabile ...!“
Der schwarze Mann schüttelte den Kopf, wobei er die Lippen zusammenkniff und die Nase verzog. Dann musste er doch lachen. Es sollte wahrscheinlich leicht resigniert wirken, aber das tat’s nun gerade nicht, und ich fühlte mich auf der Stelle besser. Aber nicht lange.
“Also Sie sind ja ... aber warten Sie mal, das kann ich auch!“
Er rutschte ein wenig auf seinem Velours-Sitz herum, dann begann es in seinen Augen zu blitzen und er fing an mit unerwartet mächtiger Stimme zu deklamieren:
“Der Papst verlor beim Kartenspiel,
das war des Guten doch zu viel,
ein Bannfluch trat in actio:
Du (und hier zeigte er tatsächlich mit dem Finger auf mich)
Du seist hinfort ein Stinketier,
bis auf die Zeit von drei bis vier:
dann krieg ich satisfactio!“
Nun war es an mir, überrascht den Kopf zu schütteln. Meine Herren! Und auch noch mit integriertem Küchenlatein! Ich lachte absichtlich langsam, um mir schnell was
neues auszudenken. Alles was mir einfiel war aber nur ein Gedicht, das ich gestern in meinem Krisenbuch gelesen hatte:
“Der Papst betrat die Sakristei,
als wenn dort was zu holen sei
mit Singen und mit Beten -
doch kaum erspäht der alte Bock
den prallgefüllten Opferstock:
Weg war’n die Moneten!“
Sofort war bei meinem Nebenmann schluss mit der heiteren Grundstimmung.
“Das hätte ich mir denken können, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit über alle Stränge schlagen!“, wetterte er. “Aber so seid ihr Heiden ja alle: kaum gibt man euch den kleinen Finger, zerrt ihr schon an der ganzen Hand und seine Seele ist man dann bald auch noch los! Lassen Sie mich jetzt endlich zufrieden und geniessen sie ihre Untergangsphantasien!“
Was für eine selten gottlose Abfuhr!
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(fortsetzung folgt)